Donnerstag, 25. Juni 2009

Indian Railway

Als ich am Artikel über Hyderabad gearbeitet habe und etwas zu unserer Zugreise schreiben wollte, war schnell klar, dass 63.300 km Schienennetz und 5 Mrd. Passagiere jährlich nur schwer in einem Absatz passen. Darum hier ein paar Extra-Zeilen über endlose Wartelisten, laute Chai Händler und ein Verkehrssystem, dass die deutsche Bahn an Improvisation und Unpünktlich bei weitem übertrifft.

Die Tickets für eine Zugreise werden 60 Tage vor der Abreise im Internet und an den vielen Fahrkartenschaltern angeboten. Meistens sind sie schnell vergriffen, da die Inder jede preisgünstige Möglichkeit nutzen, ihre Familien, Ehefrauen und Freunde außerhalb der Ballungsgebiete zu besuchen. Unser Ticket nach Hyderabad (ca. 550 km) kostete knapp 8 Euro und hat uns in 11h im Schlaf Wagon hin und wieder zurück nach Pune gebracht. Es werden immer mehr Tickets verkauft, als überhaupt Platz im, auf und am Zug ist, da viele Passagiere ihre Fahrkarten vorher stornieren oder umbuchen. So erhalten die schnellsten Buchungen sofort einen festen Sitz- oder Liegeplatz und jede Buchung mehr, landet auf einer Warteliste. Mit jeder Stornierung, erhält die nächste Buchung auf der Warteliste eine feste Platzreservierung und die anderen rutschen eine Position nach oben. Selbst kurz vor der Abfahrt, kann man seine Position (an eigens dafür aufgestellte Automaten) auf der Warteliste prüfen und mit etwas Glück sieht man seine Platznummer.


Am Bahnhof weist eine Anzeigetafel erst 15 Minuten vor der Abfahrt den Bahnsteig aus. Die Züge sind meist 80m und länger und warten an kleinen Bahnhöfen (Berlin Zoo wäre so ein kleiner Bahnhof) nicht länger als 5 Minuten. Um größeres Gedränge und Gerenne zu verhindern, zeigen kleine digitale Schilder am Bahnsteig, wo welcher Wagon hält. In der Nähe der Gleise stinkt es erheblich nach Urin und Fäkalien, da die Plumpsklos in den Zügen - trotz Hinweis - auch in Bahnhöfen intensiv genutzt werden und das Ergebnis dann im Gleisbett neben Ratten und anderen Müll landet.

Im Zug weist einen der Schaffner seinen Platz zu oder setzt einen auf seine eigene Warteliste. Seine Position darauf kann man mit einen kleinem Trinkgeld natürlich erheblich verbessern ;) So steigt bei jedem Halt die Wahrscheinlichkeit, dass man endlich seine Liege zugewiesen bekommt. Die übrigen Passagiere stehen, sitzen und liegen im Gang oder zwischen den Liegen.


Im Schlafwagon sind auf einer Seite halboffene Abteile und auf der anderen zwei übereinanderliegende Betten. Ein Abteil besteht aus 6 Liegeflächen, wobei die beiden unteren tagsüber als Sitzbänke und Lehnen dienen und mit den Passagieren der oberen Liege oder anderen Mitreisenden ohne feste Reservierung geteilt werden.

Auf der Rückfahrt von Hyderabad nach Pune teilte ich mir meinen Liegeplatz - zum Glück nur - mit meinen Mitbewohner. Wir beide haben in orthopädisch unmöglichen Positionen gelegen und jeder hatte nur ca. 3h Stunden Schlaf. Den ganzen nächsten Tag gab mir mein Rücken deutlich zu verstehen, dass Zugreisen in Indien, nichts für 2 zwei Meter Menschen auf einer Liege sind.

In den Zügen kehrt nachts leider kaum Ruhe ein, da aller zwei Minuten andere Mitreisende, die Bahnpolizei oder die Schaffner an einem vorbei laufen und anrempeln. Tagsüber verhindern die vielen Bettler, Chai- und Snackhändler, dass man die Zugfahrt in Ruhe genießen kann.

15 Minuten bevor der Zug im Zielbahnhof einfährt, sammeln sich die Passagiere vor den Ausgängen, um zum Einen möglichst schnell den Zug zu verlassen und zum Anderen, den Einsteigenden jede Möglichkeit zu nehmen, sich vorher in den Zug zu drängeln.



Wie auch in Deutschland üblich, ärgert die indische Bahn ihre Passagiere mit erheblichen Verspätungen und anderen Überraschungen (plötzlicher Gleiswechsel, Bombenalarm, usw.) bei zugleich minimaler Informationspolitik. Das System indische Bahn ist mit seiner gesamte Organisation – immerhin 4 verschiedene Spurbreiten, 42.125 Personenwagen, 1,6 Mio. Angestellte – sehr beeindruckend. Auf der anderen Seiten treiben einen die vielen Eigenarten – des ganze Chaos und die Unpünktlichkeit – in den Wahnsinn. Dennoch sind wir von A nach B gekommen ohne größere Verspätungen, wie vergleichsweise in Australien (*zwinker* den konnte ich mir einfach nicht verkneifen ;)) Aber wie so oft in Indien, erwartet einen das Unerwartete und das macht die Zugfahrt zu Begin sehr spannend, aber wenn der Wagen erstmal rollt, kann man sich entspannt zurücklehnen.