Am Sonntag sind wir auf Initiative einer Freundin mit einem Guide nach Dharavi, den Slums von Mumbai gefahren. Auf den etwas über 2qkm leben vermutet 1 Mio. Menschen und machen somit Dharavi zu einem der größten Slum der Welt und durch „Slumdog Millionaire“ auch zu einem der Bekanntesten. Sicher denkt ihr jetzt, was uns dazu bewogen hat, das Slum als eine Art Sehenswürdigkeit zu besuchen und die Armut der Menschen zu besichtigen. Zum Einen möchte die Organisation, die die Tour veranstaltet, helfen Vorurteile abzubauen und zeigen, dass in Slums nicht nur Kriminelle, Drogensüchtige und Todkranke leben, sondern zum großen Teil Familien deren Väter hart arbeiten, deren Mütter die Wäsche waschen und deren Kinder die Schule besuchen. Zum Anderen ist die Tour mit den Einwohnern abgesprochen und die Touristen sind willkommen, das Leben in den Slums und die Menschen dort kennenzulernen. Das Geld für die Tour wird zu 80% in eine Schule (Englisch- und Computerunterricht) investiert und unser Guide war bei den Einwohnern bekannt und beliebt.
Dharavi besteht aus einem engen Gassennetz in dem Hütten mit mehren Stockwerken eng beieinander stehen; die eigene Außenwand ist immer auch die Außenwand der nächsten Hütte. Eine Gasse besteht aus einem engen Gang in dem maximal zwei Personen nebeneinander laufen können und auf der die Bewohner sich und ihre Wäsche waschen und zum Teil auch kochen. Neben jedem Weg verläuft ein offener Kanal der das Abwasser und die Fäkalien in den nahegelegenen Fluss bringen. Nur wenige Hütten haben fließend Wasser, aber jede Hütte hat Strom, einen Kühlschrank und einen Fernseher. In einigen dieser Hütten befinden sich Fabriken, wo in niedrigen Räumen mit einem schnell drehenden Deckenventilator 10-15 Männer nähen, Müll sortieren oder Plastik reinigen. Große Maschinen und Öfen stehen in größeren Hütten mit nur einem Raum (ich mag nicht von einer Halle sprechen), in dem die Arbeiter nicht nur arbeiten, sondern Nachts auch schlafen. In den Fabriken tragen die Arbeiter keine Helme oder einen Mundschutz und an der Farbe der Wände kann man nur erahnen, wie es in deren Lungen aussieht. Durch die schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei ca. 50 Jahren.
Trotz der Armut gibt es im Slum eigene Ärzte, die zum Teil mit modernen Geräten (MRT und Röntgen) ausgestattet sind. Jeder Patient muss für seine Behandlung selbst aufkommen, ob die Ärzte durch NGOs (Non-Governmental Organization) kann ich leider nicht sagen.
Wie ihr seht gibt es in Dharavi ein eigenes Wirtschaftsleben mit Fabriken, Geschäften und Marktplätzen, dass jährlich ein Umsatz von 600 Mio. $ verbucht. Die Fabriken exportieren ihre Erzeugnisse (zum Beispiel Leder und Brot) sogar über die Grenzen Indiens hinweg. Alles was in Dharavi gebraucht wird, stellen die Menschen dort selber her, reparieren oder recyceln es.
Es gab kaum eine Station, an der wir nicht mit einem Lächeln oder einem schüchternen „Hi“ begrüßt wurden und viele Jungen fragten uns auf englisch, wo wir herkommen und wie lange wir in Indien bleiben würden. Viele von den Kindern spielten in den verdreckten engen Gassen, meist Cricket oder mit Müll.
Fotografieren und Filmen war während der gesamten Tour nicht erlaubt. National Geographic hat 2007 einen Artikel mit Bildern von Dharavi veröffentlicht, den ihr hier zum Teil lesen könnt ;)